Unser Widerstand ist fruchtbar.
Unsere Stimme ist klar.
Unsere Füße sind leicht.
Unser Blick geht weit.
Wir wollen nicht weniger als eine Welt, die lebt, einen Horizont der uns lockt.
Vom 26. September bis 3. August kamen über 1.000 Menschen aus ganz Europa und darüber hinaus in Frankreich beim „Treffen der ländlichen und kleinbäuerlichen Kämpfe“ zusammen.
In über 150 Workshops, runden Tischen, Konferenzen, Filmvorführungen, Theaterstücken und Konzerten wurde eine Welt lebendig, die Hoffnung gibt.
Durch das italienisch-katalanische Übersetzungskollektiv Coati wurde Französisch, Spanisch, Englisch und manchmal auch Arabisch uns direkt ins Ohr übersetzt.
Fünf Bauernhöfe aus der Region, ein Bäckerei-Team und fünf Küchen-Kollektive legten uns die Vielfalt der Gemüseäcker, die Wärme des Ofens und echte Handwerkskunst täglich auf die Zunge.
Ungefähr 2 ½ Stunden Autofahrt hinter der deutsch-französischen Grenze liegt das kleine Dorf Bure im Departement Meuse, mit unter 100 Einwohnern in einer der am spärlichsten besiedelten Regionen Frankreichs.
Ginge es nach der französischen Regierung und der von ihr geschaffenen Behörde ANDRA entstünde hier das riesige Atommüllendlager CIGEO.
Anfang Dezember hat der französische Verfassungsrat und der Staatsrat Bure als geplantes Endlager nochmal bestätigt.
Es geht aber nicht so glatt mit den Plänen der französischen Regierung und es gibt lebendigen Protest.
Auch wenn der Widerstand gegen das Atomlager überall präsent war, wollen wir uns hier hauptsächlich dem Camp widmen. Für alle Interessierten gibt es auf der Website viel Material zum Reinfuchsen: Bureburebure.info.
Wir lassen den Atommüll erstmal hinter uns und wenden uns den ganzen Menschen zu, die sich aus den „ländlichen und kleinbäuerlichen Kämpfen“ in Bure versammelt haben.
Es ist ca. 9 Uhr morgens und wir sitzen noch beim Frühstück. Um 10 Uhr fangen die ersten Veranstaltungen an, in großen, bunten Zirkuszelten, die über die langgezogene Campfläche verteilt sind.
Es gibt ein reichhaltiges Frühstück, vom Kaffee braucht es jedoch zwei Becher, um die Trägheit des Zeltplatzes loszuwerden. Es ist schon ein bunter Haufen Leute unterwegs. Ein Trecker zieht neue Trinkwasser-Speicher auf die Campfläche, im Gemüseacker direkt neben dem Camp wird schon für das Mittagessen geerntet, die Gut-Organisierten teilen sich die Veranstaltungen des Tages untereinander auf, eine französischsprachige Gruppe (der Demo-Chor wie sich später herausstellte) singt mehrstimmig dem Tag entgegen.
Die Campinfrastruktur ist beeindruckend. Vom Infopunkt am Campeingang, über ein sogenanntes „Ohren-Team“, welches für Konflikte und Übergriffe ansprechbar ist, eine Radiostation, ein Crêpe-Stand, viele verschiedene Workshopzelte, eine Bar für die Abendstunden und viel Platz dazwischen zum Lesen, Ausruhen und ins Gespräch kommen. Mit viel Sorgfalt sind an den richtigen Stellen kleine Brücken gebaut, Schilder gemalt und Wege markiert.
Doch wir sind ja nicht nur zum Gucken hier, deshalb bringen wir brav unser Besteck zur Spülstation und lächeln den schon eifrig Spülenden entschuldigend zu. Das Camp wird von den Händen aller jeden Tag aufs Neue getragen und es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten am Start zu sein.
Dann machen wir uns auf den Weg zu den Workshopzelten.
Und hinter den bunten Zeltplanen zeigt sich, warum der ganze Aufwand eigentlich.
Es gibt unglaublich viele kleine Konferenzen, Diskussionen und Vernetzungen, die wir hier nicht alle aufzählen. Das Camp wurde eröffnet mit einer Saatgutbörse, dem Vorstellen der lokalen Kollektive und Kämpfe. Es folgten strategische Überlegungen zur politischen Arbeit und Verwurzelung auf dem Land, historische Rückblicke auf 500 Jahre Bauernkriege, internationale Panels zu Boden und Wasser und Möglichkeiten praktisch Hand anzulegen und zu lernen (zum Beispiel Rückwärtsfahren mit Anhänger). Ihr findet einen Rückblick der Camp-Organisator*innen hier: https://all.lpr-camp.org/2023/09/07/kommunique-nr-5-der-widerstand-verwurzelt-sich-in-bure/ und könnt im Programm die einzelnen Kollektive und Strukturen finden.
Wir sind gerade auf dem Weg zum Atelier Paysanne, ein Kollektiv von Bäuer*innen, Angestellten und Techniker*innen aus Frankreich, die sich der Aufgabe verschrieben haben technische Lösungen und Erfindungen für kleinbäuerliche Landwirtschaft zu finden, zugänglich zu machen und umzusetzen.
Die Website findet ihr hier: https://www.latelierpaysan.org/English.
Wir greifen noch drei kleine Einblicke heraus, in dem Wissen, dass wir euch nicht das ganze Camp zwischen die Buchstaben holen können.
Das Camp war stark deutsch-französischsprachig geprägt. Und so war es naheliegend ein deutschsprachiges Vernetzungstreffen zu machen, bei dem über 50 Menschen zusammenkamen. Unter anderen waren mit dabei: die jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerl. Landwirtschaft, das ELAN- Netzwerk für emanzipatorische Landwirtschaft (https://elannetzwerk.wordpress.com/), Leute der Europäischen Struktur von ViaCampesina (ECVC), die Initiative Demokratischer Konföderalismus (IDK), das Longo Mai-Netzwerk und das Solawi-Netzwerk mit freien Ausbildungsstrukturen. Uns wurde bewusst, wie viele wir sind und dass wir einen großen Bedarf haben an weiteren Räumen, um uns politisch zu organisieren. Weitere Infos was aus diesem Zusammentreffen entstanden ist, erreichen euch sicher noch über diesen Verteiler.
Ein weiteres Highlight war das Treffen und der Austausch mit Morgan Ody, der internationalen Generalkoordinatorin von LaViaCampesina. Was wir hier an politischer Kampfeslust, Erfahrung und Wissen erlebten war beeindrucken. Hier findet ihr einen Artikel zu dem Treffen:
www.bauernstimme.de/news/details/widerstand-ist-fruchtbar
Abends fanden Theater und Konzerte statt, es wurden Filme gezeigt und im Chapiteau Ornain wurde einem die geballte Tanzlust entgegengeschleudert. Eine brodelnde Menge bildete zu wilder Pop-Musik ein Spalier, durch das als erstes eine als Einhorn geschminkt und verkleidete Person tanzte und dann sich immer zwei Menschen aus dem Masse lösten und mit ihren wildesten Dancemoves durchs Spalier sprangen. Eine Unbändige Freude, die sich den Spaß nicht verderben lassen wollte, war hier am Werk.
Ein gelungener Abschluss des Treffens der ländlichen und kleinbäuerlichen Kämpfe war die Demonstration am 2. September.
Voran ging die Internationale Delegation mit dem Spruch „Stop Francafrique-Soutien au peuple de niger“ (StopFrancafrique-Untestützung für die Menschen in Niger“). Kurz zuvor war es im Niger zu einem Putsch gekommen, der sich vor Allem gegen den französischen Einfluss in der ehemaligen Kolonie richtete. Als Franceafrique wird das Neokoloniale System bezeichnet, dass Frankreich nach dem Ende der Kolonialzeit aufbaute, um Einfluss und Kontrolle in den ehemaligen Kolonien aufrechtzuerhalten. Die Internationale Delegation erinnerte mit vielen Beispielen, wie exisitenziell der Kampf um Land und Wasser ist und wie dringend notwendig ein gemeinsamer Kampf gegen das koloniale und kapitalistische Wirtschaftssystem ist. Und wie wichtig die Unmittelbare Solidarität mit denjenigen ist, die in der ersten Reihe der gesellschaftlichen Kämpfe um Wasser, Boden und eine Landwirtschaft der Zukunft stehen.
Weil wir wollen eine Welt die für alle lebt, einen Horizont der sich nicht nur für wenige öffnet.
Die Zeit in Bure hat uns dafür Vieles mit auf den Weg gegeben.
In diesem Sinne mit einem Herz voll Hoffnung und Widerstand,
Ein paar Geister aus Bure 2023.