Schauen wir der Realität ins Gesicht, Rechte Ideologien und die Despoten dieser Welt gewinnen weiterhin an Kraft. Das ist weder nur ein Problem des Ostens noch von crazy America, es findet überall statt. Auf dem Land und in der Stadt, in Familien und Organisationen und sogar in unseren eigenen Köpfen, in denen sich langsam verschiebt, was normal und sagbar erscheint. Vor diesem Hintergrund erstarkender antidemokratischer Kräfte entschied sich die jungen AbL (jAbL) im vergangenen Jahr den Preis zum/zur Antifaschist:in des Jahres ins Leben zu rufen. Mit dem Preis ehrt die bäuerliche Jugendorganisation Personen, die sich durch ihr Leben und ihre Arbeit in besonderem Maße gegen das Erstarken rechtsextremer Kräfte und für demokratische Werte einsetzen. In diesem Jahr ging der Preis an Julia BarTal, Landwirt:in in Brandenburg und seit vielen Jahren prägendes Mitglied der AbL. Die jAbL ehrt Julia nicht wegen einzelner “Heldentaten“, sondern weil sie seit vielen Jahren, tagtäglich und in vielfältiger Weise der schleichenden Normalisierung des Extremen entgegenwirkt. Wie sie sagt kommt “Faschismus nicht nur in Springerstiefeln um die Ecke sondern findet auch dort statt, wo wir schweigen und wegsehen“. Julia schweigt nicht, wenn die EU Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen das Budget für den EU-Grenzschutz massiv hochfährt oder wenn Abschiebungen in Konfliktregionen legal werden. Sie benennt solche schleichenden Entgleisungen und wehrt sich dagegen, sie durch stille Zustimmung und Kooperation zu legitimieren. Das ist oft unangenehm und nervt, gerade wenn Julia unter Verbündeten und im eigenen Verband den Mund aufmacht. Aber dieses Nerven müssen wir aushalten, oder, noch besser, wir sollten davon lernen und es ihr nachmachen.
Von Nordost bis Nahost
Julia lebt mindestens zwei Leben zugleich. Als prägendes Mitglied und ehemaliger Vorstand der AbL Nordost baut sie Brücken zu den Berufskolleg:innen, sucht nach Gemeinsamkeiten. Der Stopp des Ausverkaufs der BVVG Flächen in Brandenburg wäre ohne ihr Beharren nicht passiert.
Ihr anderes Leben ist in Nahost. Julia arbeitet seit vielen Jahren in Syrien, Libanon, Palästina, Israel und im Iraq, sie hat Familie, Kamerad:innen und Freund:innen vor Ort. Bei den Vorträgen zur Lage der Bäuer:innen der Region, die sie mit dem von ihr mitbegründeten 15th Garden Netzwerk hält, macht Julia eines immer wieder klar: wenn fundamentale Rechte von Menschen irgendwo beschnitten werden, dann trifft das alle. Dann ist das der erste Schritt, Menschen nicht mehr als Menschen zu sehen.
Man kann zusehen, wie sich der Rassismus in Deutschland ausbreitet, von den “Ausländer raus“-Gesängen der einen bis weit auch in unsere eigenen Köpfe hinein. Was wir von Julia lernen müssen, ist dass die Verrohung nicht halt machen wird. Erst sind es die “Ausländer“, dann die Frauen und queeren Menschen und dann all die Personen, die unangenehm sind und nicht ins Konzept passen.
Julia erhielt den Preis der jAbL am Ende der AbL Mitgliederversammlung in Bad Boll. In ihrer Dankesrede sagte sie, dass wir stärker und schwächer zugleich werden. Die dramatischen politischen Entwicklungen der letzten Jahre machen uns schwächer. Aber es sind genau diese Entwicklungen, die uns anhalten sollten, noch klarer und überzeugter für grundlegende Rechte für alle Menschen einzustehen.